Landtag M-V
Sachverständigenanhörung im Rahmen der Haushaltsberatung zum Doppelhaushalt 2026/27 vor dem Rechtsausschuss
Foto: BSBD MV Schweriner Schloss-Landtag MV
Am 01.10.25 fand im Landtag MV eine Sachverständigenanhörung zum Doppelhaushalt 2026/27 vor dem Rechtsausschuss statt. Hierzu bekam der BSBD Landesverband MV im Vorfeld die Gelegenheit, zum Haushaltsentwurf Stellung zu nehmen und diese dann im Rahmen der Anhörung zu vertreten bzw. Fragen der anwesenden Mitglieder des Rechtsausschusses zu beantworten.
Für den BSBD nahm Herr Andreas Loeck als Vorstandsmitglied an der Anhörung Teil.
Neben dem BSBD waren unter anderem geladen:
die Vorsitzende der Deutschen Justizgewerkschaft,
der Vorsitzende des Vereins der Verwaltungsrichterinnen und Richter,
der Vorsitzende des Bundes der Richterinnen und Richter Staatsanwältinnen und Staatsanwälte,
der Präsident des Oberlandesgerichtes Rostock,
der Präsident des Landgerichtes Neubrandenburg,
die Leiterin der JVA Neustrelitz.
Die knapp dreistündige Anhörung war von vielen Nachfragen der Politikerinnen und Politiker geprägt. Die gezielten Fragen, gerade zum Justizvollzug und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeigte, dass die Gespräche der letzten Jahre zwischen dem BSBD Landesvorstandes und den Mitgliedern des Rechtsausschusses, zumindest dafür gesorgt hat, dass der Justizvollzug präsent ist.
Hoffen wir, dass die ein oder andere Anmerkung des BSBD Landesverbandes berücksichtigt wird!
Zum Haushaltsentwurf 2026/27 nahm der BSBD wie folgt Stellung:
“Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir danken ihnen, dass der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern des Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD M-V) zum Entwurf des Haushaltsplans 2026/2027 Stellung nehmen darf.
Die Personalsituation in den Justizvollzugsanstalten zeigt seit Jahren Vakanzen auf.
Dies zeigt sich darin, dass Stationen oder Häuser, in denen Gefangene untergebracht werden, regelmäßig nur mit einer minimalen Schichtbesatzung besetzt werden können.
Dieses Minimum besteht aus zwei oder gar nur einem Justizvollzugsbediensteten, was etwaige Betreuungs-, Behandlungs- oder Freizeitangebote faktisch auf null reduziert.
Regelmäßig werden Werk- und Ausbildungseinrichtungen ganztägig geschlossen, damit das Personal auf den Stationen oder Hafthäuser aushelfen kann.
In den vergangenen Jahren, gingen die Bewerberzahlen und letztendlich auch die Zahl der nach dem Auswahlverfahren verbleibenden geeigneten Bewerber stetig zurück. Dies führte dazu, dass Ausbildungsklassen nicht mehr voll besetzt werden konnten.
Noch im Mai dieses Jahres teilte die Justizministerin auf einer Landtagssitzung mit, dass sich derzeit 58 Justizvollzugsanwärter in Ausbildung befinden.
Die Kapazitäten liegen allerdings bei 80 Auszubildenden, rund einem Drittel höher als vorhanden.
Im Zuge dieser andauernden Verhältnisse führt 2025 das Justizministerium (JM), mit Einverständnis des Finanzministeriums (FM), eine Personalbedarfserhebung durch. Das Ergebnis wird zum Ende des Jahres erwartet und damit nicht im Entwurf des Haushaltsplans 2026/2027 Berücksichtigung finden.
Ohne dem Ergebnis der Personalbedarfserhebung vorwegzugreifen, zeigen die Eingangs geschilderte Umstände, dass personelle Zuwächse erforderlich sind um auch in den kommenden Jahren die Aufgaben des Justizvollzuges vollumfänglich zu erfüllen und damit die Sicherheit aller zu gewährleisten.
Wie dies ohne im Haushaltsplan finanziell unterlegte Stellenzuwächse realisiert werden kann bleibt fraglich.
Neben den stetig steigenden aber planbaren Altersabgängen, müssen weiter Personalabgänge durch dauerhafte Dienstunfähigkeit und Abgänge von gut ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen, aufgrund beruflicher Neuorientierung, kompensiert werden.
Es ist vor allem der jahrelange schwere Dienst mit konflikt- und gewaltbereitem Klientel, welcher langfristig zu psychischen Erkrankungen führt oder die Arbeit insgesamt unattraktiv macht.
Das Justizministerium stellte kürzlich fest: ”Im Zuge des Nachwuchskräftemangels und eines zum Teil sinkenden Commitments in der Belegschaft braucht es einen Kulturwandel, Sinnstiftung und eine dynamische Zielneuausrichtung. Die Identifikation der Mitarbeitenden mit der Justiz muss verbessert, kollegiale wertschätzende Zusammenarbeit, Motivation,
Eigenverantwortung, Engagement und Resilienz in den jeweiligen Arbeitseinheiten.”
Um dies zu erreichen, müssen zunächst die Berufsfelder eine grundsätzliche Attraktivitätssteigerung durchlaufen, welches wiederum nur gelingt, wenn Bestandsmitarbeiter Anerkennung und Wertschätzung erfahren und Berufseinsteiger Perspektiven aufgezeigt bekommen.
Für den Vollzugsdienst in den Justizvollzugsanstalten aber auch für den Justizwachtmeisterdienst in den Gerichten und Staatsanwaltschaften bedarf es vor allem realistischer, beruflicher Aufstiegschancen und Entwicklungsmöglichkeiten, welche nicht nur theoretischer Natur, sondern Aufgrund von Leistung und tatsächlich vorhandener Stellen erreichbar sind.
Beispielsweise haben wir bei der größten Mitarbeitergruppe im Justizvollzug, dem ehemaligen mittleren Dienst, 291 Stellen im Eingangsamt, 186 Stellen im ersten Beförderungsamt und 127 Stellen im Endamt.
Dem gegenüber hat die größte Gruppe der Polizei, ebenfalls ehemaliger mittlerer Dienst, 482 Stellen im Eingangsamt, 1534 Stellen im ersten Beförderungsamt und 1312 Stellen im Endamt.
Beides ist im aktuellen Haushaltsplanentwurf abgebildet.
Das entspricht einem Stellenkegel für den Justizvollzug von:
50 % der Stellen in A7,
30 % der Stellen in A8 und
20 % der Stellen in A9
Für die Polizei sieht das ganze wie folgt aus:
15 % der Stellen in A7,
45 % der Stellen in A8 und
40 % der Stellen in A9
Um also die Attraktivität zu erhöhen, fordern wir eine Stellenhebung in allen Laufbahngruppen, zugunsten der ersten und nachfolgenden Beförderungsämter, analog zum Stellenkegel der Polizei.
Ein Zeichen der Wertschätzung wäre zudem,
- die Angleichung der Zulagen für den Justizvollzugsdienst nach § 50 der Landesbesoldungsordnung A und B mit 145,05 € an die der Polizei, nach § 48 Landesbesoldungsordnung, mit 155,03 €,
- die Schaffung einer solchen Zulage für den Justizwachtmeisterdienst bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften und
- die Ausdehnung der Heilfürsorge auf all diejenigen Mitarbeiter der Justiz, welche zum Schutz der Bevölkerung und Durchführung rechtsstaatlicher Verfahren ihre eigene körperliche Unversehrtheit einsetzen, analog zu den Mitarbeitern der Polizei und Feuerwehr.
Ein weiterer Punkt, der ebenfalls als ein Zeichen der Wertschätzung wahrgenommen wird, ist das finanziell auskömmliche Budget zur Ausstattung der Mitarbeiter mit Dienstbekleidung.
Aus dem Haushaltsentwurf geht leider nicht hervor, wie hoch das künftig verfügbare Budget für den einzelnen Mitarbeiter sein wird.
Nach Aussage des JM soll das jährliche Dienstbekleidungsbudget von 200 € auf 210 € erhöht werden.
Dieses entspräche, dem Dienstbekleidungsbudget der Polizei.
Für die Ausstattung eines Uniformierten mit einem dunkelblauen Poloshirt, einer dunkelblauen Hose und ein paar schwarzen Schuhen berechnet das Logistikzentrum Niedersachsen (LZN), welche die Dienstbekleidung für mehrere Länder vertreibt, unter anderem auch für die Polizei in MV, 202,68 €.
Gürtel, Landesabzeichen, usw. sind zusätzlich käuflich zu erwerben.
Das sind nur die Ausgaben für eine Ausstattung mit diese drei Uniformteilen, welche täglich getragen werden muss.
Natürlich unterliegt die Kleidung dem Verschleiß, wie jede andere Kleidung auch.
Nicht zuletzt durch Reibung, beim regelmäßigen An- und Ausziehen von Schutzwesten im Zuge der Einlasskontrollen an den Gerichten oder auch beim ständigen Herausziehen und Einstecken der Gefängnisschlüssel.
Schauen sie sich ihre eigenen Schuhe an und überlegen sie einmal, wie lange diese Schuhe halten werden, wenn sie diese täglich 8 Stunden und länger, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, ein ganzes Jahr lang, zu jeder Jahreszeit, ob in der Hitze des Sommers, bei Regen oder Frost und Schnee tragen müssen.
Vorausgesetz die Reinigung wäre gewährleistet, wären Schuhe, Hose und Shirt nach einem Jahr verschlissen, was eine erneute Anschaffung für das kommende Jahr unabdingbar machen würde.
Was die Mitarbeiter dann nicht haben sind witterungsgerechte Jacken, für kühlere Tage im Frühling, Regenbekleidung im Herbst oder gar Winterbekleidung die im Winter vor grimmigen Frost schützt.
Ein Ansparen des nichtausgegebenen Budgets über mehrere Jahre ist nicht möglich.
Das Geld wird einem, beim LZN angelegten, persönlichen Kleiderkonto gutgeschrieben.
Daher ist eine Verwendung der Geldmittel für den Bezug von Dienstbekleidungsteilen über einen anderen Hersteller nicht möglich.
Möglich ist lediglich ein Vorgriff auf das Budget des Folgejahres.
Nach dem Kauf einer Jacke würde dann im Folgejahr natürlich das Geld fehlen, da es bereits ausgegeben wurde.
Kommen wir noch einmal zum Dienstbekleidungsbudget der Polizei.
Das Dienstbekleidungsbudget an dem sich das Budget des Justizvollzuges orientiert, ist das Budget für den Polizei-Innendienst.
Diese Kollegen sind in der Regel mit administrativen Aufgaben, der Bearbeitung von Vorgängen (Anzeigenaufnahme, Zeugenbefragung) und der Sachbearbeitung bis hin zur Verwaltung und Organisation beschäftigt. Vermutlich arbeiten sie gelegentlich im Homeoffice und tragen dort keine Uniform.
Darüber hinaus gibt es ein Dienstbekleidungsbudget für Polizisten im Außendienst.
Dieses beträgt 300 € pro Jahr, da diese Polizisten sich vornehmlich im Freien, bei Wind und Wetter aufhalten.
Auch die Mitarbeiter im Justizvollzug verbringen täglich mehrere Stunden im Freien.
So werden Gefangene regelmäßig zu Terminen außerhalb der Justizvollzugsanstalten vorgeführt.
Ferner haben Inhaftierte Anspruch auf eine Stunde Aufenthalt im Freien (Freistunde), welche durch die Justizvollzugsbediensteten beaufsichtigt wird.
Aufgrund der Trennung von anderen Mittätern eines Verfahrens, Binnendifferenzierungen nach Geschlecht, Strafart, Strafdauer, Behandlungsbedarf, usw. können nicht alle Inhaftierten zur gleichen Zeit diesen Aufenthalt im Freien verbringen, sondern nacheinander. Die Durchführung der Freistunden kann daher mehrere Stunden andauern. Nicht zuletzt werden die Inhaftierten zu verschiedensten Anlässen in unterschiedliche Abteilungen gebracht (z. B. Arztsprechstunden, Besuchsvorführungen, Teilnahme an einer Berufsausbildung, etc.), in der Regel geschieht diese Zuführung über die Bereiche außerhalb der Gebäude.
Jedem mit gesundem Menschenverstand sollte klar sein, dass, gemäß den geschilderten Aufgaben, eine angemessene witterungsgerechte Ausstattung der Mitarbeiter im Justizvollzug mit Dienstbekleidung, mittels einem Budget von 210 €, nicht möglich ist.
Wir fordern daher die Erhöhung des persönlichen Dienstbekleidungsbudgets für die Mitarbeiter in den JVAen und des Justizwachtmeisterdienstes der Gerichte und Staatsanwaltschaften auf 300 €, analog dem Budget für die Polizei im Außendienst.
Eine Staffelung des Dienstbekleidungsbudgets für Mitarbeiter, welche ausschließlich Administrative oder verwaltende Tätigkeiten ausführen, oder aufgrund des Aufgabenbereichs spezielle Arbeitsbekleidung tragen müssen, wäre denkbar.
Wir danken für ihre Aufmerksamkeit.”
Andreas Loeck,
Matthias Nicolai